Baswa: Sonderlösung für das Schleifen von Schaumglas

Es sei eine Sache, ein funktionierendes Labormuster herzustellen und eine ganz andere, das Herstellungsverfahren dann großtechnisch umzusetzen, meint Bernhard Hanisch von der Baswa acoustic AG. Das schleiftechnische Know-how von Kündig habe bei der Umsetzung eines wichtigen Fertigungsschrittes in der Akustikplattenherstellung weitergeholfen.

Begonnen hat die Geschichte von Baswa als typisches Startup in der Schweiz. Der heute 83-jährige Hans Dieter Sulzer gründete 1991 in Baldegg ein Unternehmen zur Herstellung seiner preisgekrönten Akustikdämmplatten. Die Idee des Erfinders sei dabei typisch für seine Denkweise: „Niemand sonst wäre wahrscheinlich auf die Idee gekommen, dafür Glas zu verwenden“, erzählt Dipl. Ing. (FH) Bernhard Hanisch, Mitglied der Geschäftsführung und für die Produktion im Deutschen Baswa-Werk Gotha verantwortlich. „Entstanden ist aus seiner Idee ein Hightech Schalldämmsystem mit maßgeschneiderten Eigenschaften. Die Akustikplatten können auf der Baustelle beinahe so einfach wie Gipskartonplatten verarbeitet werden. Zum System gehören neben der Akustikplatte auch spezielle Verputzmaterialien, welche eine fugenlose Verlegung ermöglichen und sehr gute Schallabsorptionseigenschaften besitzen.“

Akustikplatte ohne Löcher

Das Ungewöhnliche an Sulzers Idee sei die schon erwähnte Verwendung von Glas: „Das akustisch wirksame Material unserer Platten ist sogenanntes Blähglas. Das sind aus Recyclingglas hergestellte Kügelchen mit Luftbläschen,“ erläutert der Werkstoffingenieur Hanisch. „Das gemahlene Glas wird im Drehofen bei 800° C zu Glasschaumkugeln, aus denen Blähglasgranulat besteht. Es bekommt dadurch ausgezeichnete Wärme- und Schalldämmeigenschaften.“ Mit einem polymeren Bindemittel stellt Baswa aus dem Granulat Platten her: „Im Gegensatz zu expandierten Polystyrolplatten ist unser Werkstoff druckstabil und besitzt noch weitere Vorzüge wie Brandbeständigkeit.“ Für die Platten wird Blähglasgranulat mit Körnungen von knapp 1 mm verwendet. Für den zum System gehörenden Verputz werden andere Materialien mit Körnungen bis 0,5mm eingesetzt. „Dadurch können wir die für die Raumakustik so wichtige Nachhallzeit gezielt beeinflussen.“ Hart verputzte Wandoberflächen von Stein- oder Gipswänden würden den Schall stark reflektieren: „Unser Material tut das nicht.“ Heute exportiert Baswa seine Akustikdämmsysteme weltweit und kann auf zahlreiche Referenzen verweisen.

Glas ist kein Stein

Was im Labor des Erfinders Hans Dieter Sulzer hervorragend funktionierte, sollte sich in der fertigungstechnischen Umsetzung als sehr schwierig erweisen, erzählt Hanisch von der Entwicklung: „Ursprünglich dachten wir, wir müssen den neuen Werkstoff wie Stein bearbeiten. Das hat aber überhaupt nicht funktioniert.“ Dabei sah die Herstellung auf den ersten Blick einfach aus – das Blähglasgranulat wird mit einem Polymerbindemittel zu einer Paste angeteigt, auf Glaswolleplatten aufgetragen und ausgehärtet. „Aber dann standen wir vor dem Problem, dass wir eine gleichmäßige Dicke und eine glatte Oberfläche benötigen, um die Platten exakt verlegen und später sauber verputzen zu können.“ Versuche mit Verfahren zur Steinbearbeitung endeten gelinde gesagt desaströs: „Also haben wir ganz pragmatisch versucht, die Platten auf einer Tischlereischleifmaschine zu schleifen.“ Das habe auf der eigens zu diesem Zweck angeschafften konventionellen Breitbandschleifmaschine passabel funktioniert, berichtet er von seinen Erfahrungen. „Die Oberflächen wurden aber wegen des Plattenaufbaus aus der Akustikplatte und einer Dämmschicht sehr wellig geschliffen. Und die Maschine war wegen des aggressiven Glasstaubes an Lagern und Spindeln in kürzester Zeit ein Totalschaden.“

Kündig zeigte dann, wie es geht

Das sei der Moment gewesen, in dem man auf Kündig stieß: „Ich bin Werkstoffingenieur, kein Anwendungstechniker“, stellt Hanisch klar. „Wir haben nach einem langlebigeren Ersatz für unsere Breitbandschleifmaschine gesucht. Dass in der Schweiz Präzisions-Industrieschleifmaschinen hergestellt werden, wusste ich damals nicht, sonst hätten wir als Schweizer Startup wahrscheinlich gleich das Schweizer Produkt gekauft.“ Der Kontakt zu Stefan Schöttli von Kündig habe sich als Glücksfall erwiesen: „Wir würden sonst heute noch experimentieren und nicht produzieren, weil unser damaliger Maschinenlieferant die technischen Probleme einfach nicht in den Griff bekam. Kündig hat uns dann gezeigt, wie es doch geht.“ Der erfahrene Schöttli habe sofort erkannt, dass der Fehler im angewendeten Schleifverfahren lag, erzählt Hanisch. „Wir wollen unsere Platten ja nicht nur glätten, sondern durch das Aufbrechen der Körner die akustisch wirksame Oberfläche weiter vergrößern.“ Die Platten habe man damals auf einer konventionellen oben schleifenden Breitbandschleifmaschine mit Schleifschuh bearbeitet. „Schöttli hat uns dann erklärt, dass man damit in diesem Fall nur eine geringe und ungleichmäßige Schleifwirkung erzielt, weil die Platte aufgrund der federnden Dämmschicht dem Schleifschuh ausweichen kann.“ Nach einer gründlichen Analyse der Fertigungsstraße riet Schöttli zu einer unten schleifenden Maschine: „Dadurch konnten wir einen Plattenwender in der Linie einsparen.“ Die Platten werden zunächst geschliffen, dann längs formatiert und gefast um nach einem 90° Richtungswechsel quer bearbeitet zu werden. Durch das unten schleifende Aggregat war es nun nicht mehr nötig, die Platten nach dem Schleifen für die Kantenbearbeitung umzudrehen.

Industrieschleifmaschine nach Maß

Bei der Lösung der technischen Probleme sei Kündig die flexible Konstruktion seiner Maschinen zugute gekommen, berichtet Kündig Verkaufsleiter Stefan Schöttli: „Durch die modulare Konstruktion unserer Maschinen fällt es uns leicht sie an spezielle Kundenanforderungen anzupassen. Das hält die Kosten auch bei sehr speziellen Maschinen in einem überschaubaren Rahmen.“ Im thüringischen Gotha lieferte Kündig eine Technic Botex-1 650-R, als bereits zweite Anlage für Baswa nach der ersten für das Werk in der Schweiz. Statt mit einem Schleifschuh wurde sie mit einer Schleifwalze ausgerüstet, die für absolut plane Oberflächen trotz des flexiblen Dämmmaterials auf der Rückseite sorgt. Frühzeitigem Verschleiß durch den Glasstaub wurde konstruktiv mit gekapselten Lagern und Staubmanschetten an den neuralgischen Stellen begegnet. „Das Glasgranulat wirkt wie ständiges Sandstrahlen“, weiß Hanisch aus der Praxis, „Kündig hat die bislang einzigen Maschinen geliefert, die diesen Belastungen auf Dauer standhalten.“ Solche Anforderungen sei man aus Flugzeug- und Autoindustrie, die Kündig ebenfalls beliefere, durchaus gewohnt, kommentiert das Stefan Schöttli.

Staubfreie Platten

Doch nicht nur der Schutz der Maschine war Hanisch wichtig, auch gesundheitliche Risiken für seine Mitarbeiter in der Produktion und später für die Verarbeiter sollten ausgeschlossen werden: „Schließlich wäre es alles andere als angenehm, wenn einem beim Verlegen unserer Platten über Kopf, die Glassplitter in die Augen rieseln“, meint er trocken, „die Platten werden deshalb bereits in der Schleifmaschine sehr effizient mit einer Abblaseinrichtung und einer Staubabsaugung gereinigt. Die Staubbekämpfung hat Kündig so gut gelöst, dass praktisch kein Staub aus der Maschine dringt und die Platten staubfrei aus der Anlage kommen.“

Heiße Tasten

In einer Industrieproduktion sei aber auch eine problemlose Anlagenbedienung wichtig, hält Hanisch fest: „Bei uns beschränkt sich das ja im Prinzip auf Stärkenänderungen. Trotzdem war das Einstellen bei der alten Maschine zeitaufwändig.“ Mit der Anschaffung der beiden Kündig-Präzisionsschleifanlagen habe sich das geändert: „Ein Tastendruck genügt, um das Schleifprogramm zu wechseln.“ Den Hot-keys auf der Steuerung sind unterschiedliche Plattenstärken zugewiesen: „Das bedeutet bei einem Wechsel der Plattenstärke keinerlei Rüstzeiten mehr.“ Wenn die hoch belasteten Anlagen eine Wartung brauchen wäre das ebenfalls kein Thema: „Als Baswa das Werk in Gotha gründete, um innerhalb der Europäischen Union zu produzieren und näher am Deutschen Markt zu sein, fanden wir heraus, dass Kündig hier bereits seit über 20 Jahren ein Werk hat“, schmunzelt er. „Die Kompetenz der Kündig-Techniker hat unser innovatives Produkt in einem wichtigen Bearbeitungsschritt fertigungstechnisch erst ermöglicht. Unseren Erfolg verdanken wir zum Teil wahrscheinlich auch Kündig.“

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